Russland: Friedlicher Protest um die Parlamentswahlen unerwünscht

amnesty logoImmer restriktivere Gesetze, harte Polizei- und Strafverfolgungsmaßnahmen – die Behörden in Russland haben das Recht auf friedliche Versammlung so weit ausgehöhlt, dass es für die russische Bevölkerung fast unmöglich geworden ist, auf sinnvolle Weise zu protestieren. So soll friedlich geäußerte Kritik zum Schweigen gebracht werden. Zu diesem Schluss kommt Amnesty International in einem im Vorfeld der Parlamentswahlen veröffentlichten neuen Bericht.

BERLIN, 11.08.2021 – In dem Bericht „Russia: No Place for Protest“ dokumentiert Amnesty International, wie die Unterdrückung friedlicher Proteste in Russland seit Verabschiedung des föderalen Versammlungsgesetzes 2004 zugenommen hat. Eine Reihe von Gesetzen wurde seitdem geändert und immer restriktiver angewendet. Die Folge: eine Vielzahl rechtlicher Einschränkungen dazu, wann, wo, wie, zu welchem Zweck und von wem das Recht, auf die Straße zu gehen, noch ausgeübt werden kann.
 
„In den letzten 16 Jahren hat es 13 Gesetzesänderungen gegeben, durch die das auch durch die russische Verfassung garantierte Recht auf Versammlungsfreiheit Stück für Stück ausgehöhlt wurde. Im Ergebnis hat der Staat praktisch jeden menschenrechtlich garantierten friedlichen Protest, den seine Behörden nicht ausdrücklich zugelassen haben, kriminalisiert“, sagt Peter Franck, Russland-Experte bei Amnesty International in Deutschland.
 
Neun der 13 größeren Gesetzesänderungen, mit denen das Recht auf friedliche Versammlung in Russland massiv eingeschränkt wurde, wurden allein seit 2014 vorgenommen. Die letzte Runde der Gesetzesänderungen erfolgte vor rund einem halben Jahr im Rahmen eines ganzen Gesetzespakets, das im Vorfeld der russischen Parlamentswahlen im September auf die Unterdrückung unabhängigen gesellschaftlichen Engagements abzielte.
 
Regionale Bestimmungen verschärfen föderale drastische Einschränkungen
 
Nach den föderalen Vorschriften dürfen in der Nähe von Gerichtsgebäuden, Gefängnissen, Präsidentenresidenzen und seit Dezember 2020 auch in der Nähe von Rettungsstellen keine Versammlungen stattfinden. Regionale Bestimmungen führen zu noch weitreichenderen Einschränkungen: In der Oblast Kirow etwa verbieten örtliche Vorschriften alle Versammlungen in der Nähe von Kultur-, Bildungs-, Medizin- oder Unterhaltungseinrichtungen, Einkaufszentren, Spielplätzen und sogar Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel – also praktisch überall in den Städten. Spontane Versammlungen sind generell verboten und werden, wenn sie dennoch stattfinden, unter massiver Gewaltanwendung aufgelöst.
 
Seit Dezember 2020 ist es ausländischen Staatsangehörigen, ausländischen und internationalen Organisationen sowie russischen Staatsbürger_innen und Nichtregierungsorganisationen, die von den Behörden als „ausländische Agenten“ eingestuft worden sind, untersagt, öffentliche Versammlungen zu finanzieren. Darüber hinaus müssen Versammlungen mit mehr als 500 Teilnehmenden über ein einzurichtendes Bankkonto finanziert werden, andernfalls werden sie illegal.
 
Hohe Geld- und Haftstrafen sowie exzessive Gewaltanwendung
 
Seit 2011 hat sich die Zahl der gesetzlich normierten Verstöße gegen das Versammlungsrecht von drei auf 17 erhöht. Die im Falle solcher Verstöße drohenden Geldbußen sind von 2.000 Rubel (knapp 25 Euro) im Jahr 2012 auf 300.000 Rubel (knapp 3.500 Euro) im Jahr 2021 angehoben worden. Für zwölf der Verstöße wurde Verwaltungshaft von bis zu 30 Tagen als mögliche Strafe eingeführt. Verstöße werden nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeit geahndet: Die massivste Strafverschärfung folgte aus der Einführung eines neuen Straftatbestandes. Wer Ordnungswidrigkeiten unter Verletzung des Versammlungsrechts wiederholt begeht, kann seit 2014 wegen einer Straftat belangt werden, wegen der bis zu fünf Jahren Haft verhängt werden können.
 
Unter diesen Bedingungen dennoch stattfindenden Protesten begegnet der Staat mit
übermäßiger Gewaltanwendung durch Polizeikräfte. Dies wurde insbesondere bei der Niederschlagung der Proteste gegen die fortdauernde Inhaftierung Alexej Nawalnys im April in St. Petersburg deutlich. Es wurden Kampfsporttechniken gegen Demonstrierende eingesetzt, Protestierende mit Schlagstöcken niedergeprügelt und – seit 2021 – auch mit Elektroschockwaffen betäubt. Abgesehen von Einzelfällen bleiben solche Übergriffe ungeahndet.
 
Amnesty International fordert die russischen Behörden auf, die Gesetzgebung und Handlungsanweisungen zur Umsetzung des Versammlungsrechts zu reformieren, um sie in Einklang mit der Verfassung des Landes und den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen zu bringen.

Quelle: www.amnesty.de

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Nachrichten und Doku in Köln

Möglicher Kampfmittelfund in Riehl -


stadt Koeln LogoIm Rahmen geplanter Baumaßnahmen im Umfeld des städtischen Seniorenzentrums Köln-Riehl hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst der Bezirksregierung Düsseldorf einen Verdachtspunkt entdeckt. Um festzustellen, ob es sich tatsächlich um einen Bombenbli...


weiterlesen...

Gasnetze: Bürger:innen brauchen


umweltMünchen, 18. April 2024. Der Umstieg auf klimaneutrale Energien führt dazu, dass ein Großteil der Gasverteilnetze künftig nicht mehr benötigt wird. Mit einem „Green Paper“ hat das Bundeswirtschaftsministerium die Diskussion um die Stilllegung komm...


weiterlesen...

27.04. - 10.11.2024 Chargesheimer


Chargesheimer Schildergasse Köln vor 1957Am 19. Mai 2024 wäre der Kölner Fotograf Chargesheimer (1924–1971), eigentlich Karl Heinz Hargesheimer, einhundert Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass zeigt das Museum Ludwig im Fotoraum eine Auswahl von rund fünfzig seiner Werke. Chargesheimer ...


weiterlesen...

Ida Dehmel Kunstpreis der GEDOK 2024


iris hoppeVerleihung des Kunstpreises an die Künstlerin Iris Hoppe und Ausstellung im Nassauischen Kunstverein in Wiesbaden.

Der Ida Dehmel-Kunstpreis der GEDOK war 2020 zum 150. Geburtstag der Frauenrechtlerin und Kunstförderin Ida Dehmel (1870-1942) ins L...


weiterlesen...

„Girls' Day am 25.4.2024 am


GirlsDay Plakat 2024 GSODu gehst in die 8., 9. oder 10. Klasse und hast Interesse an Technik und IT?

Das IT-Berufskolleg in Humboldt-Gremberg lädt interessierte Mädchen zu einem spannenden Tag an der Schule ein!
Schnuppere einen Tag echte IT-Luft! Probiere dich in unseren...


weiterlesen...

20 Jahre Sherlock Holmes-Hörspiele bei


scherlock Holmes Gluecksstern PRDas Team von Titania Medien kommt in letzter Zeit gar nicht mehr aus dem Feiern 'raus! Zelebrierte das mehrfach preisgekrönte Hörspiellabel letztes Jahr bereits sein 20. Firmenjubiläum, so gibt es 2024 sogar doppelt Anlass, die Korken knallen zu l...


weiterlesen...
@2022 lebeART / MC-proMedia
toTop

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.