Ungesundes Sitzen vermeiden: Stuhl erkennt Sitzposition und motiviert zur Änderung der Körperhaltung

ungesundes sitzenLanges Sitzen erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Wer dazu noch dauerhaft in der gleichen Position verharrt oder in einer ungünstigen Körperhaltung Platz nimmt, riskiert Verspannungen und eine Degeneration der Bandscheiben. Das Labor für Fertigungssysteme der TH Köln unter Leitung von Prof. Dr. Ulf Müller entwickelt deshalb im Forschungsprojekt SensA-Chair gemeinsam mit der Bergischen Universität Wuppertal und der Deutschen Sporthochschule Köln sowie Partnern aus der Industrie ein System, das eine anatomisch günstige Sitzhaltung unterstützt.

SensA-Chair umfasst mehrere Komponenten: So sollen sich die Sitzfläche und Rückenlehne automatisch an die individuelle Kontur der Nutzerinnen und Nutzer anpassen, um die körperliche Belastung abzumildern. Besonders beim statischen Sitzen – dem langen Verharren in der gleichen Haltung – wirken starke Kräfte auf den Körper. Daher soll der Stuhl zu einem dynamischen Sitzen anregen, das heißt, die Position im Stuhl wird in bestimmten Zeitabständen gewechselt und die Beanspruchung von Organismus und Bewegungsapparat deutlich reduziert. Das Forscherteam der TH Köln entwickelte im Projekt ein System aus Sensoren und Aktoren, das verschiedene Sitzhaltungen der Person im Stuhl erkennt. Mittels der Aktoren wird ein taktiler Reiz in Form eines Drucks an verschiedenen Stellen der Sitzfläche erzeugt, um zu einem Sitzhaltungswechsel anzuregen.

Stuhl erkennt typische Sitzpositionen

„Der erste Schritt auf dem Weg zum gesünderen Sitzen ist es, die Art und Weise zu erfassen, wie gesessen wird. Mit unseren Sensoren können wir bis zu 14 typische Sitzpositionen erkennen. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule haben wir diese Haltungen abhängig vom Grad ihrer Belastung für den Körper in sechs Klassen eingeteilt“, erläutert Müller. Die Einteilung in sechs Klassen – Klasse 1 für eine geringe und Klasse 6 für die höchste Belastung – erlaubt es, die Beanspruchung zu errechnen und einen Algorithmus für den richtigen Zeitpunkt zum Ändern der Sitzposition zu entwickeln.

Das System erkennt die Sitzposition und misst die Zeit, die die Person in dieser verbleibt. So kann ein beanspruchungsgerechtes Sitzen gesteuert und somit dynamisches Sitzen gefördert werden. „Bei einer Position der Klassen 1 und 2 ist es in Ordnung, sich über acht Minuten nicht zu bewegen; bei Positionen der anderen Klassen sollte man spätestens nach vier Minuten seine Körperhaltung ändern“, so Müller.

Aktoren motivieren zur Änderung der Sitzhaltung

Sofern die Person nicht schon vor dem Zeitlimit selbstständig die Sitzposition ändert, geben die im Stuhl verbauten Aktoren kleine physische Drücke durch das Sitzpolster, die dazu anregen, die Sitzposition zu ändern. Tut sie bzw. er dies nicht, steigt die Intensität der Drücke, bis es zu einer Sitzänderung kommt. Schmerzen muss man allerdings nicht befürchten: „Auch die stärkste Stufe der Druckkraft fällt immer noch so gering aus, dass sie nicht bewusst wahrgenommen wird, den Menschen aber trotzdem dazu bringt, sich zu bewegen“, erläutert Müller. „Das ist wichtig, damit die bzw. der Betroffene nicht aus den Gedanken gerissen wird und sich manipuliert fühlt. Dies würde zu einer Ablehnung des Systems führen.“ Durch dieses intelligente System verändert die sitzende Person ihre Position im Stuhl im Tagesverlauf kontinuierlich, was die Beanspruchung für den Körper verringert.

Aktor aus Formgedächtnislegierung

Eine besondere Herausforderung für das Team um Prof. Müller waren das Design, die Auslegung und Umsetzung des Aktors, der die Druckkraft zur Veränderung der Sitzposition gibt. „Aufgrund der Polsterung des Stuhls war es wichtig, den Aktor so zu konstruieren, dass der Druck auch noch durch Polstermaterial wahrzunehmen ist. Entsprechend stark muss er daher sein“, sagt Müller. Die Wahl fiel auf einen Aktor aus Formgedächtnislegierung, der im Vergleich zu konventionellen Lösungen eine sehr hohe Kraft aufbringen kann und zudem geräuschlos arbeitet. Die Konstruktion des Aktors musste darüber hinaus stabil genug für das Körpergewicht eines Menschen sein und kompakt genug, um in einen Bürostuhl eingebaut zu werden. Die Industriepartner bauen jetzt auf Basis der Forschungsergebnisse einen Prototyp des Stuhls.

Forschungsprojekt

Das Forschungsprojekt SensA-Chair wurde von 2016 bis 2018 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms KMU-innovativ gefördert. Projektpartner waren die Brehmer GmbH & Co. KG, die Generationdesign GmbH, die haidermetall Eduard Haider GmbH & Co KG, die Bergische Universität Wuppertal, die Deutsche Sporthochschule Köln sowie die Fakultät für Anlagen, Energie- und Maschinensysteme der TH Köln.

Die TH Köln bietet Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland ein inspirierendes Lern-, Arbeits- und Forschungsumfeld in den Sozial-, Kultur-, Gesellschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften. Zurzeit sind mehr als 26.000 Studierende in über 90 Bachelor- und Masterstudiengängen eingeschrieben. Die TH Köln gestaltet Soziale Innovation – mit diesem Anspruch begegnen wir den Herausforderungen der Gesellschaft. Unser interdisziplinäres Denken und Handeln, unsere regionalen, nationalen und internationalen Aktivitäten machen uns in vielen Bereichen zur geschätzten Kooperationspartnerin und Wegbereiterin. Die TH Köln wurde 1971 als Fachhochschule Köln gegründet und zählt zu den innovativsten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften.

Quelle: www.th-koeln.de
Foto: Konzeptentwurf für den anatomisch sinnvollen Bürostuhl vom Projektpartner Generationdesign. (Bild: Generationdesign)

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Nachrichten und Doku in Köln

Lew Kopelew Preis für Frieden und


lew kopelew preisverlehung 2023 24 foto horst galuschkaFeierliche Preisverleihung an Vertreterinnen und Vertreter der Ukraine am 9. Juni 2024 in der Kreissparkasse Köln

Köln, den 9. Juni 2024 Das Lew Kopelew Forum verleiht in diesem Jahr den nach ihm benannten „Preis für Frieden und Menschenrechte 202...


weiterlesen...

Masterplan Stadtgrün - Stadtbezirk


Plakat Mülheim ProgrammStadtgrünAm 23. März 2023 wurde der Masterplan Stadtgrün durch den Stadtrat beschlossen. Damit wurde ein strategisches Leitbild für die Sicherung und Entwicklung des gesamten Kölner Grüns - der sogenannten grünen Infrastruktur vorgelegt. (weitere Infos zum...


weiterlesen...

Bund fördert Ausbau des "GrünZug Nippes"


stadt Koeln LogoStadt Köln erhält sechs Millionen Euro für ökologische und klimatische Aufwertung

Der geplante Ausbau des "GrünZug Nippes" wird mit sechs Millionen Euro vom Bund unterstützt. Die Mittel stammen aus dem Förderprogramm "Anpassung urbaner Räume an de...


weiterlesen...

Nacht der Technik 2024: TH Köln öffnet


TH KölnOb Blitz und Donner, die Gefahren eines Dammbruchs oder künstliches Tageslicht – die TH Köln präsentiert am 21. Juni 2024 von 18.00 bis 24.00 Uhr bei der 9. Nacht der Technik auf ihrem Campus Deutz zum wiederholten Mal, wie spannend Wissenschaft s...


weiterlesen...

Kölner Arbeits- und Recherchestipendien


stadt Koeln LogoKünstlerische Vorhaben von 13 Künstler*innen und zwei Kurator*innen erhalten

Im Mai fand die Jurysitzung zur Vergabe der altersunabhängigen Recherche- und Arbeitsstipendien im Bereich "Bildende Kunst" 2024 statt. Diese Stipendien ermöglichen es pr...


weiterlesen...

Schüleraustausch Kanada: AUF IN DIE


kanada weltStiftung Mensch und Zukunft vergibt AUF IN DIE WELT-Stipendium für ein Schuljahr an einer High School in Kanada an Schülerin aus Rheda-Wiedenbrück

Stipendium für Schülerin aus Nordrhein-Westfalen

Ob USA, Kanada oder Neuseeland – ein Auslandsjahr i...


weiterlesen...
@2022 lebeART / MC-proMedia
toTop

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.