Wolfgang-Hahn-Preis 2024: Anna Boghiguian - 9. November 2024 – 30. März 2025
Anna Boghiguian (geb. 1946 in Kairo) wird mit dem 30. Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig ausgezeichnet. Die ägyptisch-kanadische Künstlerin armenischer Herkunft zählt seit ihren Teilnahmen an den Biennalen von Istanbul 2009 und Sharjah 2011 und an der dOCUMENTA 13 in 2012 zu einer der spannendsten Positionen der Gegenwartskunst. Bekannt ist sie für ihre figurativen Wandmalereien, (Notiz-)Bücher, Zeichnungen, Gemälde, Fotografien und Skulpturen und auch für einige spektakuläre großformatige Installationen. Boghiguians Arbeiten entstehen oft spontan und häufig vor Ort, so auch jetzt in Köln zum Wolfgang-Hahn-Preis 2024. Sie gilt als einfühlsame Beobachterin des menschlichen Daseins und vermittelt eine Interpretation des zeitgenössischen Lebens, in der sie inhaltlich äußerst klug zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Dichtung und Politik, Geschichte und Literatur oszilliert. Ihre Kunstwerke feiern eine global vereinte Menschheit und nehmen die Nachwirkungen von Geschichtsverläufen und ihren Konflikten in den Blick, um über eine künstlerische Aufarbeitung Optionen für die Zukunft aufzuzeigen.
Ihre Werke, in denen sie verbale und visuelle Darstellungsformen miteinander verknüpft, wirken unmittelbar und emotional. Thematisch verbinden sie das fundierte historische Wissen der Künstlerin mit ihrem Gespür für aktuelle Debatten, wenngleich sie in ihrer Ausführung wie ein Gegenpol zur Optik einer technisierten digitalen Welt wirken. Boghiguians einzigartige künstlerische Position in Ausdruck und Emotionalität hat in Deutschland noch nicht die Beachtung erfahren, die ihre authentische Expressivität verdient.
Carolyn Christov-Bakargiev, Gastjurorin, erläutert zur Nominierung von Anna Boghiguian: Die Poesie und Einzigartigkeit ihres Werkes sowie ihre Direktheit und Expressivität passen ideal zur Sammlung des Museum Ludwig mit ihren starken expressionistischen Positionen. Anna Boghiguian ist erst in den letzten zehn Jahren international bekannt geworden, so dass dieser Preis nicht für ein Lebenswerk, sondern für eine hochaktuelle Künstlerin vergeben wird. Sie ist ganz und gar zeitgenössisch in ihren Themen und in den Verbindungen, die sie durch ihre Lektüren, Reisen und Internetrecherchen zwischen historischen Geschichten und politischen und ästhetischen Diskussionen unserer gegenwärtigen Welt zieht.“
In ihrer für das Museum Ludwig geplanten Installation greift Anna Boghiguian das Gedicht Die Schlacht bei Magnesia (1913) und weitere Schriften des Dichters Konstantin Kavafis (1863–1933) auf. Der aus Alexandria stammende Poet, den Boghiguian für seine sensible Sprache und universelle Gelehrtheit schätzt, beschreibt hier eindringlich ein Gefecht des römisch-seleukidischen Krieges im Dezember 190 vor Christus. Boghiguians Installation zeigt die zwei gegnerischen Kriegsherren, Philipp V. aus Makedonien mit dem würfelspielenden Verlierer Antiochus III., an dessen Hof sich auch Hannibal vor seinem Zug über die Alpen aufhielt. Die Figuren inmitten von Zeichnungen und Scherenschnitten verbinden Kavafis‘ dichterisch-historischen Kosmos mit der Erzählfreude der Künstlerin.
Als Tochter eines armenischen Uhrmachers studierte Anna Boghiguian in den 1960er Jahren Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaft an der Amerikanischen Universität in Kairo. In den frühen 1970er Jahren zog sie nach Kanada und studierte Kunst und Musik in Montreal. Sie ist ihr ganzes Leben lang gereist und pflegt eine kosmopolitische Kultur. Boghiguian hat ihr Atelier und ihren Wohnsitz in Kairo, lebt und arbeitet aber auch in Europa, Asien, Afrika und Amerika. 2003 nahm sie an der Wanderausstellung “Contemporary Arab Representation” teil und an der 11. und 14. Istanbul Biennale in 2009 and 2015, an der Sao Paulo Biennale in 2014 und in 2023 und sie hatte u.a. Einzelausstellungen im Castello di Rivoli in Turin, im Kunsthaus Bregenz, 2021-2022 im Museum für Gegenwartskunst Siegen und im SMAK in Gent. 2015 gewann sie den Goldenen Löwen für den besten Pavillon (Armenien) auf der 56. Biennale von Venedig.
Über den Wolfgang-Hahn-Preis
Der Wolfgang-Hahn-Preis wird jährlich von der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig vergeben, 2024 zum 30. Mal. Mit der Auszeichnung sollen vorrangig zeitgenössische Künstler:innen geehrt werden, die sich in der Kunstwelt durch ein international anerkanntes Œuvre bereits einen Namen gemacht haben, in Deutschland aber noch nicht so bekannt sind, wie sie es verdienen. Das Preisgeld in Höhe von maximal 100.000 Euro setzt sich aus den Beiträgen der Mitglieder zusammen und fließt in den Erwerb eines Werks oder einer Werkgruppe der Künstler:innen für die Sammlung des Museum Ludwig. Mit dem Preis verbunden sind vom Museum Ludwig organisierte Ausstellungen der erworbenen Arbeit(en) der Preisträger:innen sowie die Herausgabe einer begleitenden Publikation; die Veröffentlichung zu Anna Boghiguian ist für 2025 geplant
Der Name des Preises ehrt das Andenken an den passionierten Kölner Sammler und Gemälderestaurator Wolfgang Hahn (1924–1987), der sich in vielfältiger Hinsicht für die Kunst der europäischen und amerikanischen Avantgarde in Köln engagierte. Die Gesellschaft für Moderne Kunst fühlt sich seinem vorbildlichen Wirken als Sammler, als ihr Gründungsmitglied und als Leiter der Restaurierungswerkstätten des Wallraf-Richartz-Museum und des Museum Ludwig verpflichtet.
BAUWENS und RSM EBNER STOLZ unterstützen den Abend der Preisverleihung, die Präsentation und die Publikation des Wolfgang-Hahn-Preises seit 2016.
Quelle: www.museum-ludwig.de
Abbildung: Anna Boghiguian, Detail aus der Installation nach Konstantin Kavafis Gedicht zur Schlacht bei Magnesia , 2024 © Anna Boghiguian