Werner Ruhoff über die Veranstaltung: Zehn Jahre 9/11 mit Andreas Zumach

10_jahre_9_11_kolumne_werner_ruhoffAm 11. September 2011 fand im VHS-Forum im neuen Museum Haus der Kulturen ein Vortrag mit dem UN-Korrespondent der taz und vieler weiterer Medien, Andreas Zumach statt. Werner Ruhoff von der Mülheimer Friedensinitiative hat die Veranstaltung besucht:

Leider hatte das recht schlechte Wetter doch nicht dafür gesorgt, dass das schöne, neue VHS-Forum im Rautenstrauch-Museum rappelvoll war – der Saal war nur mit etwa zwei bis drei Dutzend Leuten gefüllt – aber erfreulicherweise alles Menschen, bis auf wenige Ausnahmen, die ich vorher noch nie gesehen hatte – soll sagen, es war kein Gefühl, dass Eulen wieder einmal nach Athen gebracht werden.

Andreas Zumach hatte einen sehr spannenden einstündigen, lebendigen Vortrag gehalten, über seine detaillierten Kenntnisse als Korrespondent einiger Zeitungen und als häufiger Besucher in den USA. Seine Schlussfolgerungen habe ich nicht generell geteilt, aber seine Sicht der Dinge tritt aus dem mainstream hervor, d.h., wo sonst kaum die Aufmerksamkeit hingelenkt wird oder Dinge beim Namen genannt werden, da redete er „Tacheles“.

1.  Für die Welt außerhalb Deutschlands und Europas ist der Terroranschlag am 11.9. 2001 mit seinen Folgen viel bedeutsamer als der Fall der Berliner Mauer. In diesem Jahrzehnt wurden für die nachfolgenden Kriege –  Irak und Afghanistan 3.000.000.000.000 US $ ausgegeben – (3 Bill nach unserer Zählung) Im Irak hatte der Krieg die unmittelbare Todesfolge für 1,2 Millionen und die indirekte Todesfolge für 600.000 Menschen nach sich gezogen. Der Krieg verstieß gegen das Völkerrecht durch die Nichtzustimmung des Sicherheitsrates. (wofür kein Bush und Rumsfeld vor einem Internationalen Gerichtshof jemals verurteilt werden – zumindest absehbar nicht)

2.  Zu Afghanistan wurde zwar eine einstimmige Resolution der UNO-Vollversammlung gefasst, dass die USA angegriffen wurden und das Recht haben, sich zu verteidigen, aber nirgendwo gibt es ein klares Mandat, dass die USA oder die NATO oder ISAF dort Krieg führen dürfen, wie es dann getan wurde (eine ähnliche Überspannung der Resolution wie in Libyen). Die ursprüngliche Absicht, das Land von den Taliban zu befreien, und demokratische Strukturen aufzubauen, funktioniert nicht. 90% des Bruttoinlandsproduktes stammt aus dem Mohnanbau, aus Rauschgifthandel und Waffenschiebereien, die von der sog. internationalen Gemeinschaft geduldet werden – die zum Beispiel Heroinsüchtige hier einkaufen. Würde mensch das Geld, das in den Krieg gesteckt wird, für die Bauern einsetzen, käme nach Zumachs Auffassung die Lösung ein Stück näher und wäre obendrein billiger.

3. Mit den Kriegen ist in den westlichen Gesellschaften die Überheblichkeit gegenüber AraberInnen- MuslimInnen angewachsen und mündet teilweise in pauschalen Vorurteilen, obwohl die arabische Welt ebenso differenziert ist, wie im Westen, was aber hier kaum wahrgenommen würde. Das wiederum verletzt den Stolz der arabischen – muslimischen Bevölkerungen und stachelt die Wut an, was ein Nährboden für neue terroristischen Anschläge bedeuten kann. Aber weit mehr als 90% der MuslimInnen seien keine TerroristInnen. Außerdem machten die Bevölkerungen in den arabischen Ländern die Erfahrung, dass der Westen wegen seiner reibungslosen und billigen Ölzufuhr sehr wohl mit diktatorischen Regimes zusammen arbeitet – aktuell die Lieferung von 200 deutschen Panzern an eine der reaktionärsten Regierungen – an Saudi Arabien.

4. Im Verlaufe der letzten Jahre wurden im Namen des Antiterrorkampfes eine ganze Reihe von Grundrechten relativiert und verletzt, vor allen Dingen in den USA, wo weit über Tausend Gefangene monatelang ohne Urteile in Gefängnissen verbringen mussten, weil sie irgendeinem gesuchten Profil entsprachen. Die Antifolterkonvention wurde praktisch außer Kraft gesetzt, wobei die deutsche Regierung durch über 400 genehmigte Überflüge dazu beitrug, Leute in Länder zu verfrachten, wo sie „körperlich schmerzhaften Verhören“ ausgesetzt werden konnten. Die USA haben dies in Guantanamo/Kuba in eigener Regie praktiziert. Die Diskussion um die Anwendung von Folter wurde dadurch wiederbelebt, auch in deutschen Juristendiskussionen.  Auch in Deutschland nehmen die Überwachungs- und Sicherheitsdiskussion und die „Vorsichtsmaßnahmen“ Ausmaße an, die die Grundrechte weitgehend außer Kraft setzen können. In den USA gibt es allein 17 Geheimdienste, die für Auslands- und Inlandsüberwachung und Ausforschung zuständig sind.

5. Notwendige Sanktionen gegen eine Regierung, die massenhaft die Menschenrechte verletzt, werden in ihrer Glaubwürdigkeit dadurch beschädigt, dass die USA und ihre Verbündeten mit zweierlei Maß messen. Damit einher geht die Verletzung des Völkerrechts, durch einseitige Erklärungen, wer zu den Schurken gehört und bestraft wird oder welcher Diktator aus wirtschaftlichen Gründen Schutz genießt. Auch gegen das eigene Fehlverhalten wird das internationale Recht boykottiert.

6. In den USA hat es einen starken Rechtsruck bei den Republikanern gegeben, und Obama habe voraussichtlich keine Chance wiedergewählt zu werden. Außerdem befänden sich die USA aller absehbaren Zukunft nach in einem Abwärtstrend – durch die wirtschaftliche Überstrapazierung und den sozialen Niedergang – der in den nächsten zwanzig Jahren erhebliche Probleme bereiten würde. Es könnte Präsidenten an die Macht spülen, gegen die Bush noch relativ gemäßigt war. Lichtblicke: die Rebellion der arabischen Bevölkerungen gegen ihre Despoten – der Kampf um Menschenrechte und Demokratie dort –Und die Verabschiedung von der Atomenergie in Deutschland – die eine Energiewende auch bei anderen fossilen Rohstoffen – einleiten könnte. Damit entfalle der Konflikt zwischen Ölzufuhr und Menschenrechten.

Aber alles auf brüchigem Eis – man kann auch alles ganz pessimistisch sehen – 

Mit friedlichen Grüßen

Werner Ruhoff (Mülheimer Friedensinitiative)

Kontakt: nc-ruhoffwe@netcologne.de

 

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