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Ausstellung „86–16” - Thomas Baumgärtel @ 30works

Saturday, 07. April 2018

12:00-17:00 Uhr

Zum Saisonauftakt lädt 30works zu einer großen Retrospektive und präsentiert ausgesuchte Werke von Thomas Baumgärtel aus nunmehr vier Jahrzehnten seines künstlerischen Schaffens.

Bananensprayer, Aktionskünstler, klassischer Ateliermaler: Thomas Baumgärtel gehört zu den wohl vielseitigsten Künstlern Deutschlands. Und dank Aufsehen erregender Performances und Werken mit eindeutiger Botschaft auch zu den in deutschen Feuilletons meist diskutierten. Denn von Anbeginn seiner Karriere hat Thomas Baumgärtel Stellung bezogen, Haltung gezeigt und für die Freiheit der Kunst gekämpft. 30works widmet dem Wahlkölner mit 86-18 nun eine große Sonderausstellung. Dabei werden die wichtigsten Stationen seiner außergewöhnlichen Künstlerlaufbahn beleuchtet und bislang selten oder noch nie gezeigte Arbeiten präsentiert.

Wirkung & Rezeption
Es war die Banane, die Baumgärtel Weltruhm und eine Story im amerikanischen TIMEMagazine bescheren sollte; aber seine erste große Werkreihe sollte noch ganz der klassischen Malerei verschrieben sein: 1986 debütierte Thomas Baumgärtel mit dem „Medizinischen Block“, einer Serie von expressiven Kopfdarstellungen, die von der Anatomie inspiriert scheinen. Baumgärtel verarbeitete hier seine Eindrücke und Erlebnisse während seines Zivildienstes Anfang der 1980er Jahre, als er auf einer chirurgischen Station tätig war, um im Anschluss Medizin zu studieren. Doch es kam anders: Baumgärtel entschied sich für die Kunst und nahm 1985 sein Studium der Freien Kunst an der Fachhochschule Köln auf. Die Faszination des Klinischen und Pathologischen ließ ihn jedoch nicht los, und so schrieb er sich parallel für Psychologie an der Universität Köln ein. Kunstpraxis und das Verstehen kognitiver Wirkungsprozesse: Die Dualität von Kunst auf der einen und Psychologie auf der anderen Seite sollte zur Triebfeder von Baumgärtels Schaffen werden. Denn von Anbeginn ging es ihm um die Wirkung von Kunst und die zentrale Frage: Was löst ein Werk im Betrachter aus?

Mit der „Kopf“-Serie erweist sich Baumgärtel bereits als Wegbereiter für neue Materialansätze: Er verwendet eine Mischtechnik aus Acryl, Sand, Beton und PVC, das er nach einer ausgiebigen Phase des Experimentierens verflüssigte, um es nachhaltig auf Leinwand bannen zu können. Das Ergebnis zeigt sich in einer Werkreihe von hoher Plastiziät mit reliefartigen Strukturen, die fast skulpturale Elemente aufweist – und bis heute überrascht.

Bananenkultivierung Im gleichen Jahr, 1986, startete Baumgärtel seinen Bananen-Feldzug, in dessen Folge er Museen und Kunsteinrichtungen auf der ganzen Welt mit seiner Spraybanane verzierte. Was später als approbiertes Qualitätssiegel im Kunstzirkus firmieren sollte, war hier noch als psychologisches Experiment angelegt: Wie würden die Kulturschaffenden auf dieses „illegale“ Brandmal reagieren? Thomas Baumgärtel beginnt somit die Banane als Symbol für die Freiheit der Kunst zu positionieren. Ist sie hier noch als Zeichen von Wertschätzung gesetzt, wird Baumgärtel die Banane im Zuge der Zeit verstärkt politisieren und antipodisch besetzen.

So zum Beispiel bei der „Metamorphose der Kölnbanane“, einem Schlüsselwerk von 1987, oder dem „Bananenberg“ von 1989, das der Künstler als explizites Mahnmal für die freie Kunst setzt. Den Höhepunkt markieren die „Bananenweisheiten“ ab 1989, die – als Urban Art auch im öffentlichen Raum positioniert– für klare Inhalte stehen und den mit künstlerischen Mitteln ausgefochtenen Kampf gegen sozio-kulturelle und politische Missstände dokumentieren sollen. Dabei bleibt der Künstler jedoch immer humorvoll und konstruktiv in seiner Kritik. Ein Markenzeichen, das sich fortan durch sein gesamtes Werk ziehen soll.

Ab 1994 startet Thomas Baumgärtel mit seinen „Übersprühungen Alter Meister“. Und ironisiert damit ganz im Geiste Marcel Duchamps die Kunstgeschichte, indem er tradierte, stereotype Motive rund um die deutsche Heimatmalerei durch zeitgenössische Stencils clasht und zu neuem Leben erweckt.

Gleichzeitig wird die Banane politisch entschärft und spielerischer: 1995 feiert der „Bananenpointillismus“ Premiere, wo Baumgärtel unzählige gesprühte Bananen als kleinste Elemente des Bildsujets zu einem übergeordneten Motiv aufbaut. Anfangs noch in schwarz-gelber Farbdramaturgie gehalten, wird diese Stilrichtung mit den Jahren bunter und variantenreicher. Als visionäre Weiterführung fungieren beispielsweise die „Früchtebilder“ ab 2000, in denen der gebürtige Rheinberger seine winzigen Spraybananen zu Früchte-Stillleben in der Tradition eines Pieter Claesz reifen lässt. Und so aus Bananen nicht nur Birnen und Pflaumen macht, sondern seinen eigenen Stil des Bananenpointillismus als Mittel der Transformation nutzt, um ein einst von ihm
verhasstes Genres völlig neu zu interpretieren. Denn während seines Kunststudiums unter Prof. Franz Dank weigerte sich Baumgärtel Stillleben, die er als unzeitgemäß ansah, zu zeichnen. Nun, rund zehn jahre später, war diese Werkreihe gleichwohl persönliche Genugtuung als auch Wiedergutmachung an seinem damaligen Lehrer. Wenngleich – typisch Baumgärtel – mit seinen ganz eigenen Mitteln und Praktiken...

Nahbarkeit & Zivilcourage
Die Ausstellung 86-18 fokussiert neben Baumgärtels mal subversiver, mal fast poetisch anmutender Sprühkunst auch die Malerei. Hier besonders seine „Graue Serie“, die 2005 begann und 2016 ihren Höhepunkt bei den „Brückenbildern“ fand. Baumgärtel entscheidet sich hier ganz bewusst für die farbliche Reduktion und arbeitet im Stil des Fotorealismus, den er mittels Acryltechnik zu eindringlichen Werken voller Nahbarkeit und Erhabenheit verdichtet. Die gezielten Unschärfen verleihen den Bildern zudem etwas Mystisches, Unfertiges, Transitorisches.

Eine weitere wichtige Station in Baumgärtels OEuvre markieren ab 2012 die „Spraygramme“, wo er Objekte und Trouvaillen aufsprüht, und so die Idee der Stenciltechnik gleichsam umkehrt. Statt mittels der Schablone ein Motiv zu schaffen, nutzt er nun das Objekt direkt als Positivschablone und kreiert damit Fotogramme, die
die „Champs Délicieux“ Man Rays zitieren.

Über Jahrzehnte hat Baumgärtel nicht nur eigene Stile und Techniken formiert, sondern diese wiederum in völlig eigenständige Mischtechniken überführt und dort weiterentwickelt. 86-18 gewährt außergewöhnliche Einblicke in den diversifizierten Schaffenskosmos eines Künstlers, der eine klare Botschaft hat. Und seinen Prinzipien als Mensch und Künstler immer treu geblieben ist. Dabei geht Baumgärtel mitunter an seine – und unsere - Grenzen. Und lehrt uns damit, dass der lebendige Diskurs, Toleranz und Zivilcourage zu den wichtigsten Errungenschaften unserer Kulturgeschichte gehören.

Die Laudatio auf den anwesenden Künstler wird der Kabarettist Jürgen Becker halten. Thomas Baumgärtel lebt und arbeitet in Köln. Er ist Gründer der Ateliergemeinschaft „CAP Cologne e.V.“ und hat mit vielen renommierten Künstlerkollegen wie Harald Klemm und M.S. Bastian zusammengearbeitet. Seine Arbeiten sind in zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten, darunter in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf und dem Leopold-Hoesch-Museum in Düren.

„86-18” – Thomas Baumgärtel @ 30works
Eröffnung: 23.03.2018, 19 Uhr
Laudatio: Jürgen Becker

Ausstellung: 23.03.2018 bis 20.04.2018
Öffnungszeiten: Di - Fr 15-19 Uhr, Sa 12-17 Uhr

 


  

30works Galerie

Antwerpener Str. 42
50672 KölnDeutschland
 

Über 30worksDie Kölner Galerie 30works ist spezialisiert auf Pop-Art, Streetart und zeitgenössische Kunst. Speziell, wenn es um das Thema Streetart geht, übernimmt 30works eine Vorreiterrolle in Deutschland: Als einer der ersten Galeristen hat Geschäftsführer Gérard Margaritis die Streetart nach Deutschland gebracht und sich mit 30works auf diese junge, frische „Pop-Art des 21. Jahrhunderts“ als zusätzlicher Fokus konzentriert.Die GalerieMitten im trendigen „Belgischen Viertel“ in der Kölner Innenstadt bietet die 30works Galerie auf 300 Quadratmetern viel Raum für innovative, junge Positionen der Kunst. Spezialisiert auf Pop Art, Neopop, Urban Art und Streetart, ist sie kein elitärer Tempel für Eingeweihte, sondern ein inspirierender Ort der Begegnung von Künstlern und Kunstinteressierten, von Sammlern und solchen, die es noch werden wollen. Und mit genau dieser entspannten, unangestrengten Atmosphäre hat sich 30works längst auch über die Grenzen der Domstadt hinaus einen Namen gemacht. Ihre sechs bis acht Einzelund Gruppenausstellungen pro Jahr sind Magnet für ein bunt gemischtes, experimentierfreudiges Publikum.

 

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