Abschied vom Perfektionismus

regina-nussbaum- Er lauert überall und strapaziert uns und andere: Der Perfektionismus. Stets ermahnt er uns, uns noch mehr anzustrengen, gerne auch, uns zu verausgaben. Der perfekte Mann, die perfekte Frau – Zerrbilder des Egos. Wie sollten die denn sein? Das ist ja wohl Illusion pur. Wenn wir Menschen erleben, die meistens abgehetzt von einem Termin zum anderen springen und ständig stöhnen, „Ich bin so im Stress“, dann existiert oft ein gnadenloser Anspruch an sich selbst im Selbstverständnis. Da der Perfektionismus eine persönliche Realität ist, kann er selten von außen nachvollzogen werden. Ich war erstaunt, als ich neulich von einer Bekannten hörte, dass sie keine Freunde mehr zu sich nach Hause zum Essen einlädt, weil sie sich mit den Vorbereitungen völlig verausgabt. Als ich ihr sagte, es kann doch jeder etwas mitbringen, da geht es doch um zusammen Spaß haben, schaute sie so irritiert, dass ich das Thema wechselte. Offensichtlich ging es bei ihr um etwas anderes.

Das Unperfekte lädt das Mensch-Sein ein. Die Anstrengung, allen eigenen und fremden Erwartungen gerecht zu werden, hat wenig mit Selbstachtung und Selbstbewusstsein zu tun. Vielmehr sind es Haltungen, die manche als innere Antreiber bezeichnen. Fiese Biester. Gnadenlos flüstern sie uns ungefragt ins Ohr: „Mach es allen Recht, mach es schneller, streng Dich an, sei perfekt, sei stark.“ Diese inneren Dialoge überfordern uns und andere. Wir können sie umformulieren. Wie wäre es zum Beispiel mit „Ich mache es auf meine Weise und in meinem Rhythmus“? Das klingt nicht nur bekömmlicher, sondern ist es auch. Bei mir hat es 40 Jahre gedauert, bis ich die Perfektionistin in mir umgestaltet habe. Damit lebt es sich wirklich leichter.

Autor: Regina Nußbaum