Ein schöner Sonntag

Michael Tylla RedakteurNatürlich gibt es entspanntere Möglichkeiten seinen Sonntag zu verbringen, als an einem fast sonnigen Sonntag 12 Stunden in einen Wahllokal zu sitzen, aber interessant ist so eine Tätigkeit als Wahlhelfer schon.

Spannend, wer überhaupt und wann wählen geht... ca. 600 Wahlberechtigte in meinem Bereich, wovon knapp ein Drittel schon die Briefwahl genutzt hat - bleiben also über 400 Stimmen, die heute abgegeben werden können. Wie viele es wohl wirklich werden?

Ein Rentnerehepaar steht schon um Punkt 8.00 Uhr vor der Tür, es fängt gut an. Auffällig ist es schon, dass vormittags kaum jemand unter 60 Jahren ist.

Eine Ordensschwester kommt zur Wahl. Ist sie jetzt unter ihrem kirchlichen oder unter ihrem bürgerlichen Namen ins Wahlverzeichnis eingetragen? Na, wieder was gelernt: bei amtlichen Vorgängen gilt der Nachname im Perso, auch wenn der ansonsten seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt wird; hätte ich mir ja denken können...

Gegen 15 Uhr fällt auf, dass kaum jemand unter 25 zur Wahl gekommen ist. So langsam müssen die doch auch mal aufstehen. Und tatsächlich... plötzlich wimmelt es von Erst- und Zweitwählern. Zwischen 17 und 18 Uhr gleicht das Wahllokal eher einer Studentenkneipe, allerdings ohne Milchkaffee und Holunderschorle.... schade eigentlich, denn einen Kaffee und ein Stück Kuchen könnte ich jetzt schon gebrauchen. Als ich vor 30 Jahren zum ersten mal Wahlhelfer war, fuhren die Parteien noch die Wahllokale ab, um Getränke und kleine Naschereien an die tapferen Wahlzettelausteiler und Urnenbewacher zu verteilen. Das scheint es heute nicht mehr zu geben.

18 Uhr, endlich wird es richtig spannend. Los gehts mit dem Auszählen. Im Moment interessieren mich nicht so sehr die Mehrheitsverhältnisse, die kann man hier ganz gut abschätzen und wichtig ist im Ganzen, die Zahlen sehe ich später zu Hause im Fernsehen. Aber jetzt kommt der Augenblick der kuriosen Wahlzettel. Was habe ich da schon alles gesehen: Totenköpfe statt Kreuze, unterschriebene Wahlzettel (natürlich ungültig, weil geheime Wahl), Smilys, Herzen, Stinkefinger (ja die gabs schon vor Steinbrück), manche schreiben halbe Romane neben ihr Kreuz, selbst eine Telefonnummer für den netten Wahlhelfer im weißen Hemd habe ich schon mal auf einem Stimmzettel gefunden.

Diesmal waren alle sehr seriös... gerade mal 19 Uhr und wir sind mit Zählen und eintragen in die Listen fertig. Das wars für heute, noch einige Unterschriften fürs Protokoll... und dann heißt es Tschüss bis ins nächste Jahr. Im Mai gibts ja die Kommunal- und die Europawahl. Dann bringe ich mir Kaffee und Kuchen einfach selbst mit…

Michael Tylla