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Sie wachsen fast allen Menschen, sobald die Phase der Kindheit vorüber i st. Und sie sind so natürlich, wie es Natur nur sein kann. Doch sie erfreue n sich eines zweifelhaften Rufs. Gemeint sind die Achselhaare. Für die meis ten gehören sie zur selbstverständlichen Ausstattung ihres Körpers. Sie sch enken ihnen keine besondere Aufmerksamkeit. Andere, vor allem jüngere, rück en den Achselhaaren dagegen mit dem Rasiermesser zu Leibe. Sie betrachten s ie als Makel, der beseitigt werden muss. Schon die Elite im alten Rom vermi ed es peinlichst, sie öffentlich zu zeigen. Seit in den Siebziger- und Acht zigerjahren weitgehend textilfreies Sonnenbaden in der westlichen Welt Mode geworden ist, gelten Achselhaare als unfein und in manchen Augen sogar als schmuddelig. Kurzschlüsse auf den Charakter ihrer Träger liegen nahe. Sie beschädigen das perfekte Körperbild, das die einschlägigen Hochglanz-Magazi ne verbreiten. Den unsichtbaren, jedoch suggestiv zwingenden Imperativen de r Mode, die sie Bild werden lassen, gehorchen mittlerweile nicht nur Frauen , sondern in wachsendem Maße auch Männer. Entgegen dem dringenden Rat von M edizinern schreiten sie vor jeder Urlaubssaison zur radikalen Prozedur der systematischen Körperenthaarung.
Einer, der in der Praxis des Epilier ens eine weitgehenden De-Naturisierung des menschlichen Körpers erblickt, i st Michael Horbach; ein bedeutender Sammler fotografischer Bilder, selbst F otograf und oft auch Kurator von gelobten Ausstellungen in seinen weitläufi gen Räumen. Ein Teil seiner fotografischen Sammlung ist dem scheinbaren Ran dthema Achselhaare gewidmet, das sich gerade in der Verdichtung durch die A nzahl bemerkenswerter Bilder als weniger randständig denn auf den ersten Bl ick vermutet entpuppt. Vielmehr entfalten die Bilder der Sammlung dank ihre r Menge vielfältige Referenzen auf tiefergehende kulturelle, soziale und au ch politische Zusammenhänge. Sie entwerfen in ihrer Beziehung auf- und zuei nander zugleich ein eindrucksvolles und obendrein attraktives Gegenbild zu dem vorherrschenden Schönheitsideal der modernen Wohlstandsgesellschaft. Kl aus Honnef, als Kurator der Ausstellung und Herausgeber eines umfangreichen Kataloges, hat dem ungewöhnlichen Thema den Titel „Unverschämte Schönheit“ gegeben.
Bilder von Fotografinnen und Fotografen mit berühmten Namen haben das Gegenbild der „Unverschämte(n) Schönheit“ ins Werk gesetzt. Samt und sonders stammen sie aus der Sammlung Horbachs und zeigen, dass das Epi lieren, ein vergleichsweise neues Phänomen ist. Der Zeitraum der Ausstellun g erstreckt sich auf die letzten hundert Jahre, und in den Bildern der Pion iere, die das Medium Fotografie in den Zwanzigerjahren zum künstlerischen A usdrucksmittel gemacht haben, finden sie sich wie selbstverständlich. Zum B eispiel (in der chronologischen Reihenfolge) bei Germaine Krull, Man Ray, H einz Hajek-Halke, Edward Weston und Tim Gidal ebenso wie in der Nachkriegsz eit bei Federico Patellani, Mario de Biasi und Lucien Clerque, und „natürli ch“ Helmut Newton, der den Sex in die Modefotografie eingebracht hat. Desgl eichen noch bei Lee Friedlander, Olaf Martens, Birgit Kleber, Marlo Broekma ns und Annette Frick. Bei den beiden zuletzt genannten Künstlerinnen verste hen sie sich gleichzeitig als Statement ihrer körperlichen Autonomie.
Die Bilder der bekannten und weniger bekannten Fotografinnen und Fotografe n versammeln zahlreiche Gattungen des Fotografischen, vom Porträt bis zum A kt, von der journalistischen Fotografie bis zur modernen Kunstfotografie. D abei feiert die Erotik der Körper gerade vor der Folie einer sterilen Magaz in-Fotografie ein faszinierendes Comeback, als ur-menschliches und ur-natür liches Element.
Erwähnenswert ist ferner, dass in Sammlung und Ausste llung zahlreiche Künstlerinnen und Fotografinnen vertreten sind. Erheblich mehr als in üblichen fotografischen Ausstellungen. Namentlich ihren Arbeite n verdankt sich der dramatische Wandel in der fotografischen Einstellung, w eg vom beobachtenden männlichen Blick aus der Distanz hin zu einer visuelle n Teilhabe an der leiblichen Ausdruckskraft des Körpers durch erhöhte Inten sität.
So wirken die „Bilder der Achselhaare“ in der korrespondierend en Zusammenschau wie ein wunderbares Spiegel-Mosaik der faszinierenden und wechselfreudigen Mannigfaltigkeit der fotografischen Kunst vor dem Hintergr und sozialer, kultureller, politischer, ökonomischer und wissenschaftlicher Umwälzungen in der Abenddämmerung der Moderne. Und weil es so unzeitgemäß erscheint, fällt es umso nachhaltiger aus.
Text: Klaus Honnef
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strong>Ausstellungsdauer: 10. Juli bis 19. August
Vernissage
: 10. Juli von 11 bis 14 Uhr
Es spricht Prof. Klaus Honnef
Wormser Straße 23
50677 Köln
Mi. und Fr. 15.30 – 18.30 Uhr, So.
11 – 14 Uhr, sowie nach Vereinbarung
Tel. +49 (0)221 2999 3378
Unter Beachtung der aktuellen Corona Vorschriften!
Cover zum Katalog
der Ausstellung; 77 Fotografen/innen auf 175 Seiten
Foto: Ben Hopper<
br />Quelle: http://www.michael-horbach-stiftung.de/
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